Lobenberg: 2017 war nach 2016 das witterungstechnisch zweite schwierige Jahr in Folge. Es war aber auch das zweite grandiose Jahr in der Qualität, aber eben auch kompliziert und arbeitsintensiv. Es gab im April den deutschlandweiten großen Frost mit ganz erheblichen Verlusten. Zwar gab es danach Augen, die wieder ausgetrieben haben, aber der Verlust war doch schon erheblich. Die Blüte verlief dann nahezu perfekt, es gab kaum Verieselung. So gab es relativ dicht gepackte Trauben. Die Familie Kühn hat dann im Juni die Trauben gekappt. Das untere Drittel wurde zum Teil bis zur Hälfte herausgeschnitten damit der Rest sich lockern konnte. Dann kam aber am 1. August ein großer Hagelsturm und ist komplett über die Weinberge hinweg gefegt. Zum Glück hat es nach dem Hagel nur Sonnenschein, trockenes Wetter und kühle Nächte gegeben. Es gab also keine Fäulnis. Der Hagel kam auch zu einem Zeitpunkt als die Beerenschalen noch hart waren, aber viele waren doch angeschossen durch den Hagel. Die Zerstörten fielen einfach raus, kein Problem. Die Angeschossenen gingen aber weiter bis zur Ernte und mussten dann ab dem 22. September händisch entfernt werden. Man hat dann in der Lese zunächst eine Negativlese gemacht und alles rausgeholt, was von der Wetterseite her nicht einwandfrei war. Ansonsten wurden während der Lese mit erfahrenem Erntepersonal händisch per Schere auch Trauben herausgeschnitten. Das Ergebnis was 100% frei von Fäulnis und Botrytis. Perfektes Lesegut mit hoher Reife und gleichzeitig hoher Frische durch diese lange, kühle Periode im August und September. Aber die Gesamtmenge beläuft sich lediglich auf 50% bei Kühns.
Der Gutswein des Hauses wird als Ganztraube langsam über 6 Stunden abgepresst. Also nur leichte Phenolik. Dann spontan vergoren. Hälftig im Stahl und im Holz. Danach Verbleib auf der Hefe bis zum nächsten April. Der Restzucker liegt bei 3, die Säure zwischen 7 und 8. Und hier bei Kühn haben wir das Gleiche, was wir bei Weil schon hatten. Nämlich wahrscheinlich den schönsten Gutswein in der Geschichte des Weingutes. Keinerlei Exotik, keinerlei Botrytis, nur europäische weiße und gelbe Frucht. Apfel, Birne, Quitte und reichlich Weintraube. So viel Charme, so viel Reife aufzeigend. Das Ganze mit einer Wiesenblumenthematik unterlegt. So schön dicht, so hocharomatisch und lecker schon in der Nase. Im Mund hat der Wein dann erstaunlich viel Gripp und richtig viel Dampf. Unglaubliche Mineralität, so viel Zug. Jetzt kommen auch Zitrusfrüchte dazu. Sehr viel Zitronengras, Darjeeling Tee und auch eine Schärfe, die eben aus dieser salzigen Mineralität und dem Zitronengras rührt. Man muss mal darauf kauen, um zu verstehen, was ich meine. Das ist zitrisch, aber es ist nicht spitz in der Säure. Es ist nur intensiv, lang und anhaltend. Und das zusammen mit dem Salz macht aus dem kleinen Jacobus fast einen großen Wein mit einer irren Frische. Wie schön, dass es vorher die Reife der Frucht gab. Ansonsten wäre der Wein in einem sparsamen Jahr durchaus zu extrem, um Freude zu machen. Aber auch dieser Jacobus wird, anders als der sofort zugängliche, schicke 2016er, mindestens ein bis zwei Jahre Flaschenreife brauchen, um den Trinkfluss, den er in der Nase andeutet, letztendlich auch auf die Straße zu bringen. Ich bin ziemlich beeindruckt von diesem Wein. Er gehört ganz sicher zu der Serie der großartigen Gutsweine, die wir schon an der Saar und der Mosel sowie bei Weil getroffen haben – und nun eben auch hier. Es ist Gutswein Plus und vielleicht ist 2017 genau das Jahr dafür, um eben die einfachen Qualitäten so dramatisch zu heben. Zumindest bei den Top-Winzern. 94/100